Der weiße Indianer

Interview mit Monarch Santeri Inkinen

Santeri Inkinen steht im Rückraum der Dresdner Defense und verteidigt gegnerische Passempfänger. Der Finne wollte schon immer außerhalb seines Landes Football spielen und die GFL steht bei vielen Spielern als stärkste Liga auf dem Wunschzettel ganz oben. Nun steht er sogar in den Playoffs.

Er ist von der stillen Sorte. Mit seiner auffälligen Frisur wirkt er wie ein weißer Indianer, redet nicht viel, macht sein Ding. Der Finne Santeri Inkinen spielt seit dieser Saison in der Passverteidigung der Monarchs und erzählt im großen Interview wie er vor Jahren vom Eishockey zum Football wechselte und warum es ihn vom Osten Finnlands in den Westen des Landes zog.

Hallo Santeri, danke, dass du dir Zeit nimmst. Woher kommst du?

Santeri Inkinen: Ich bin in Lappeenranta im Osten Finnlands aufgewachsen. Meine Eltern leiten jeweils ihre eigenen Firmen – meine Mutter ist Immobilienmaklerin und mein Vater arbeitet im Büromöbelvertrieb.
Aufgewachsen bin ich mit einem großen Bruder und einer kleinen Schwester in einer Eishockey-Familie. Sowohl mein Vater als auch mein Bruder haben beide aktiv gespielt. Ich übrigens auch, bis ich mit 20 Jahren die Schlittschuhe an den Nagel hängte.

Warum?
Ich wollte etwas Neues probieren. Damals leistete ich gerade meinen Militärdienst, der in Finnland obligatorisch ist, und ein Freund schlug mir vor, einem Footballverein beizutreten, was ich auch tat.


War die Umstellung von einer Sportart zur anderen schwierig?
Nicht wirklich. Ich wechselte in der spielfreien Zeit und konnte mich daher langfristig auf die Saison vorbereiten, mich mit den Regeln vertraut machen. Einen richtigen Head Coach gab es nicht, aber wir waren eine gute Truppe von insgesamt etwa 20 Spielern. Ich glaube, gerade weil die Mannschaft so klein war, habe ich alles sehr schnell gelernt.

Wie heißt das Team, bei dem du damals gespielt hast?
Lappeenrannan Rajaritarit, was übersetzt so viel wie „Border Knights“ (Grenzritter) bedeutet. Die Mannschaft gehört der dritten Liga an. Der Name erklärt sich daraus, dass Lappeenranta, eine Stadt mit mehr als 70.000 Einwohnern, nur ungefähr 20 Minuten von der russischen Grenze entfernt liegt. Bei uns im Osten Finnlands gibt es nicht viele Footballvereine, weshalb ich letztendlich 500 km westwärts zog, um auf der anderen Seite des Landes, wo die meisten Teams angesiedelt sind, Football zu spielen.

Und wie hast du dich für eine Mannschaft entschieden?
Per Zufall – ich wollte eigentlich nur einen Freund zum Tryout der Seinäjoki Crocodiles begleiten, selber trainieren konnte ich nicht, denn zu der Zeit trug ich aufgrund einer Schulterverletzung meinen Arm in einer Schlinge. Mich interessierte vor allem, auf welchem Niveau die Mannschaft spielt. Der Coach unterhielt sich eine Weile mit uns, dann bot er uns Plätze im Team an. Einfach so. Er wusste, was wir draufhaben, da er uns aus Videoaufzeichnungen der vorangegangenen Saison kannte. Er hatte Vertrauen in uns, und ich war unerwartet bei den Crocodiles gelandet.

Du stehst auch auf dem Roster der finnischen Nationalmannschaft – wie bereitet ihr euch auf die EM 2018 vor?
Also bisher habe ich nur einmal in dem jährlich stattfindenden Spiel gegen Schweden als Nationalspieler auf dem Platz gestanden. Natürlich hoffe ich auf weitere Einsätze, die Teilnahme an der Europameisterschaft ist mein Ziel. Die Vorbereitung auf so ein Ereignis ist nicht einfach, denn die Footballsaison in Finnland ist sehr lang, und die EM findet mittendrin statt. Gewöhnlich finden vorher Trainingscamps statt, sowie einige Freundschaftsspiele.

Hast du an einer Universität studiert und vielleicht erwogen, ein Semester an einem US-College zu verbringen?
Nein, ich bin gelernter Elektriker und warte Gleisanlagen. Mein Ziel ist es jedoch, in naher Zukunft Betriebswirtschaft zu studieren. Ich würde sehr gerne die USA besuchen, aber konkrete Pläne habe ich nicht.

Welche US-Teams magst du?
Ich habe keine Lieblingsmannschaft, zu Hause schaue ich mir alle Spiele an, die gezeigt werden, egal, ob College oder NFL, egal wer spielt. LSU bin ich mal eine Weile gefolgt.
Mir gefällt, wie die Seattle Seahawks und die Arizona Cardinals spielen, aber ich bin nicht wirklich ein Fan.

Nach dem Spiel gegen die Lions interessiert mich, ob es in der finnischen Liga auch Spiele gibt, die mit einem Unentschieden enden?
Nein, unsere Regeln sehen das nicht vor. Sollten beide Mannschaften wirklich die gleiche Punktezahl haben, geht es in die Verlängerung. Aber auch das passiert fast nie – ich kann mich jedenfalls nicht an eine solche Situation erinnern. Bevor ich nach Deutschland kam, hatte ich noch nie ein Unentschieden erlebt. Beim ersten Mal in Berlin war ich vollkommen überrascht, dass das Spiel auf einmal zu Ende war und alle sich die Hand schüttelten. Bei einem solchen Ausgang ist man schon ein bisschen enttäuscht. Ich spiele, um zu gewinnen, deshalb wäre mir eine Overtime-Regelung natürlich lieber.
 

Meinst du, dass die Regeln geändert werden sollten?
Vielleicht, aber das sollten die Fans entscheiden – den Zuschauern muss es letztendlich gefallen.

Du bist mit Martti Välimaa befreundet, der 2012 bei den Monarchs spielte. Habt ihr euch vor deiner Abreise über seine Zeit in Dresden ausgetauscht?
Ja, er hat sich sehr für mich gefreut und gesagt, dass die Mannschaft und die Stadt großartig sind, womit er vollkommen recht hatte. Ich mag Dresden, und das Team tut alles, damit wir Spieler uns hier wohlfühlen. Martti denkt gern an seine Zeit bei den Monarchs zurück, er hat viele gute Erinnerungen gesammelt.


Was bedeutet es dir, ein Monarch zu sein?
Es fühlt sich gut an. Ausgehend davon, was ich bisher gesehen habe, glaube ich, dass wir die besten Fans in der GFL haben. Ich liebe es, wie die Zuschauer uns anfeuern. Manchmal erkennen Fans uns wieder, wenn wir in der Stadt unterwegs sind, und sprechen uns an, dann macht es Spaß, eine Weile mit ihnen zu reden. Das gibt einem so ein bisschen das Gefühl, eine Art Promi zu sein. (lacht)
Ich wollte schon immer gern in Europa, oder besser gesagt außerhalb Finnlands, Football spielen, und die GFL als stärkste Liga steht bei vielen als Wunschziel ganz oben. Und in einem anderen Land zu leben ist eine Riesenerfahrung für mich, und zwar nicht nur in sportlicher Hinsicht.

Wird Football in deinem Leben immer eine Rolle spielen, auch wenn du selber nicht mehr aktiv bist?
Ich denke schon, aber wer weiß, vielleicht bin ich eine Tages nur noch ein Couchathlet, der sich Football und Eishockey nur noch vom Sofa aus anschaut. (lacht)
Vorstellen könnte ich mir auch, später einmal als Trainer meine Erfahrungen weiterzugeben. In meiner Heimatstadt gibt es eine Universitätsmannschaft, deren Coach ich ein paarmal unterstützt habe. Es ist schön, wenn man anderen etwas beibringt und dann sieht, wie sie sich verbessern und entwickeln!

Hast du eine Botschaft an die Fans?
Macht weiter so - mir gefällt‘s! The fans are freaking perfect.

Vielen Dank für dieses Gespräch, und ich wünsche dir und der Mannschaft viel Erfolg in den Playoffs!

Interview: Tatjana Barth
Fotos: Stefan Brock

Das Interview erschien im Dresden Monarchs Magazin "First Down", Ausgabe 8, 2016

Santeri Inkinen kam vor der Saison 2016 zu den Dresden Monarchs.


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